Der nachfolgende Artikel von mir ist erschienen in Heinrich-Böll-Stiftung Thüringen e.V. (Hrsg.) (2011): Nazis in Parlamenten. Eine Bestandsaufnahme und kritische Analyse aus Thüringen, Erfurt. Die Publikation steht hier als pdf zur Verfügung.
Herausforderung NPD: Hinweise für die politische Auseinandersetzung in Kommunalparlamenten
1. Vorbemerkungen
Die Anwesenheit der NPD in Parlamenten stellt die Abgeordneten aus dem demokratischen Spektrum vor neue Herausforderungen und führt häufig zu Verunsicherung. Auch in Thüringen ist die NPD seit den Kommunalwahlen im Jahr 2009 in zahlreichen Parlamenten vertreten. In elf der 23 Landkreise und kreisfreien Städte schaffte sie mit ein bis zwei Abgeordneten und Wahlergebnissen zwischen 2,0 % und 5,0 % den Sprung in die Kommunalparlamente. Auf kommunaler Ebene ist die NPD damit in Thüringen zunächst einmal angekommen, auch wenn sie den Sprung in den Landtag verpasste. Ob die NPD in Thüringen mit dem Landtagswahlergebnis von 4,3 % ihren Zenit überschritten hat, oder ob sie ihre seit dem Jahr 1999 kontinuierlich gesteigerten Wahlergebnisse bei der nächsten Wahl noch weiter ausbauen kann und die 5 %-Hürde überspringt, ist offen. Vor diesem Hintergrund gewinnt die Auseinandersetzung mit der NPD in den Kommunalparlamenten – neben der grundsätzlichen Notwendigkeit sich mit neonazistischem Gedankengut der NPD auseinanderzusetzen – zusätzliche Bedeutung. Der Landtagseinzug der NPD wäre mit einem erheblichen Zuwachs an finanziellen und personellen Ressourcen verbunden, der zu einer noch größeren Verfestigung und Absicherung der Parteistrukturen führen würde. So erhält beispielsweise die sächsische NPD-Landtagsfraktion mit ihren acht Abgeordneten im
Jahr 2011 pro Monat einen Fraktionszuschuss in Höhe von 116.000 Euro, das sind knapp 1,4 Mio. Euro im Jahr.1 Vor allem aus diesem Grund ist es so entscheidend, den möglichen Einzug zu verhindern.
Die große Bedeutung der Zuschüsse für die NPD wird unumwunden zugegeben. So erklärte Holger Apfel, Fraktionsvorsitzender der NPD im Sächsischen Landtag, auf einem Landesparteitag der sächsischen NPD im März 2009: „Aber wir werden das nicht nur dank des Fleißes unserer unermüdlichen Aktivisten schaffen, sondern auch, weil wir als kampfstarke Fraktion in einem Landtag inzwischen an Mittel und Möglichkeiten herankommen, die man ‚draußen‘ und ohne den Status als Fraktion eben nicht hat. Und man soll diese Möglichkeiten nicht gering veranschlagen, denn dank unseres Parlamentseinzuges und der entsprechenden Teilhabe an der Parteienfinanzierung sind wir z. B. bundesweit der einzige Landesverband der NPD, der Werbematerial dauerhaft kostenlos an seine Kreisverbände weitergeben kann.“
Dieser Artikel möchte Anregungen für den Umgang mit der NPD in kommunalen Parlamenten liefern. Dafür ist es jedoch zunächst nötig, einige gängige Mythen über die NPD in Parlamenten zu widerlegen. Die außerordentliche Bedeutung von Wahlen für die NPD haben Pascal Begrich und Thomas Weber in ihrem Beitrag ausführlich dargestellt.
2. Mythen über die NPD
In der politischen Debatte finden oftmals Mythen Eingang in die Diskussion, die in der Konsequenz darauf hinauslaufen, dass eine intensive Beschäftigung mit der NPD und ihrem Wirken angeblich nicht nötig ist. Insbesondere die folgenden Aussagen erfreuen sich dabei großer Beliebtheit:
- Die NPD entzaubert sich selbst.
- Wir ignorieren die NPD, dann verschwindet sie auch wieder.
- Die NPD wird von Protestwählern gewählt.
- Die NPD ist eine demokratische Partei, sonst wäre sie nicht zugelassen bzw. verboten.
Die ersten drei Aussagen lassen sich schnell widerlegen, die vierte Aussage bedarf einer grundsätzlicheren Auseinandersetzung. Für die Widerlegung der ersten drei Aussagen wird auf die Erfahrungen aus Sachsen zurückgegriffen, da die NPD bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt Sachsen zu ihrem strategischen Zentrum erklärte und kontinuierlich am Ausbau ihrer Strukturen arbeitet.
2.1 Die NPD in kommunalen Parlamenten: Eine Eintagsfliege?
Die Vermeidungsstrategie, d. h. der Versuch, das Neonazi-Problem allgemein oder die NPD im speziellen durch Ignoranz zu bekämpfen, muss als gescheitert betrachtet werden. In Sachsen war das Leugnen des Problems lange Zeit offizielle Regierungspolitik. Berühmt-berüchtigt in diesem Zusammenhang sind die Äußerungen des früheren sächsischen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf in einem
Interview mit der Sächsischen Zeitung im September 2000. Dort verstieg sich Biedenkopf zu der Aussage, die Sachsen seien immun gegen Rechtsextremismus und behauptete wahrheitswidrig, in Sachsen hätten noch keine Häuser gebrannt und es sei auch noch nie jemand umgekommen. Dieser Umgang auf kommunaler Ebene ist eine der Erfolgsbedingungen für die Verfestigung extrem rechter Strukturen. Die Liste sächsischer Städte und Gemeinden, welche über lange Zeit die Auseinandersetzung mit Neonazis vermieden und stattdessen diejenigen, die auf dieses Problem aufmerksam machten als Nestbeschmutzer diffamierten, ist lang. In einem solchen Klima kann die NPD Fuß fassen. Die systematische Analyse der Stadt- und Gemeinderatsergebnisse der NPD in Sachsen zeigt zudem, dass die NPD dort, wo sie zum wiederholten Male antrat, überdurchschnittlich erfolgreich abschnitt.2 Die Überzeugung, die NPD entzaubere sich selbst, kann damit als widerlegt gelten. Ferner haben die zahlreichen Skandale auf Landesebene, die häufig zu beobachtendenaktivität von NPD-Mandatsträger(innen) in Kommunalparlamenten oder deren oft vorhandenes Unvermögen, dem parlamentarischen Geschehen zu folgen, die Wahlchancen der NPD in Sachsen nicht wesentlich geschmälert.3
Auch wenn für andere Bundesländer längerfristige Vergleichswerte fehlen, muss doch deutlich unterstrichen werden, dass sich in Sachsen eine relativ gefestigte Wählerschaft der NPD herausgebildet hat. Die vergleichende Analyse der Kommunal- und Landtagswahlergebnisse legt nahe, dass das Wähler(innen)-Potenzial gegenwärtig zwischen vier und sechs Prozent liegt. Damit greift die Protestwahlthese, die suggeriert, die NPD würde nicht aus Übereinstimmung mit ihren Inhalten gewählt, sondern um den etablierten Parteien einen Denkzettel zu verpassen, deutlich zu kurz – auch wenn es sicherlich Wählerinnen und Wähler gibt, auf die ein solches Verhalten zutrifft. Es gibt keinen plausiblen Grund, warum die Wahlmotivation außerhalb Sachsens sich davon unterscheiden sollte, zumal wissenschaftliche Studien immer wieder einen deutlichen Zusammenhang zwischen den Einstellungen der Wählerinnen und Wähler und der tatsächlichen Wahl einer extrem rechten Partei belegt haben.4
2.2. Weil die NPD nicht verboten ist, ist sie eine demokratische Partei?
Oft ist die Aussage zu hören, die NPD sei eine demokratische Partei, da sie an Wahlen teilnehme und somit zugelassen sei bzw. dass sie verboten würde, wenn sie antidemokratisch wäre. Diese Annahmen sind falsch und beruhen auf Missverständnissen. Die NPD ist zwar vielerorts demokratisch gewählt, das macht sie jedoch nicht zu einer demokratischen Partei.
Zur Teilnahme an Wahlen ist einzig entscheidend, ob die Vorgaben des Parteiengesetzes eingehalten werden, d. h. dass beispielsweise Satzung und Programm den Vorgaben des Gesetzes entsprechen. Lediglich das wird von den Wahlleiter(innen) kontrolliert. Eine inhaltliche Prüfung auf Demokratiekonformität erfolgt nicht. Über die Verfassungswidrigkeit einer Partei darf ausschließlich das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Parteien sind laut Grundgesetz nur dann verfassungswidrig, wenn sie die freiheitlich-demokratische Grundordnung beeinträchtigen oder beseitigen wollen.
Das Bundesverfassungsgericht führte im Rahmen der Parteienverbotsurteile gegen die Sozialistische Reichspartei (SRP) 1952 und die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) 1956 aus, wann dieser Punkt erreicht ist. Im SRP-Urteil definierte es folgende acht Wesensmerkmale der freiheitlich-demokratischen Grundordnung: Menschenrechte; Volkssouveränität; Gewaltenteilung; Verantwortlichkeit der Regierung; Gesetzmäßigkeit der Verwaltung; Unabhängigkeit der Gerichte; Mehrparteienprinzip; Chancengleichheit der Parteien einschließlich der Oppositionsfreiheit.
Im KPD-Urteil wurde überdies genauer ausgeführt, wann Bestrebungen die Grenze zur Verfassungswidrigkeit überschreiten: „Eine Partei ist auch nicht schon dann verfassungswidrig, wenn sie diese obersten Prinzipien einer freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht anerkennt, sie ablehnt, ihnen andere entgegensetzt. Es muss vielmehr eine aktiv kämpferische, aggressive Haltung gegenüber
der bestehenden Ordnung hinzukommen, sie muss planvoll das Funktionieren dieser Ordnung beeinträchtigen, im weiteren Verlauf diese Ordnung selbst beseitigen wollen.“5
Das Bundesverfassungsgericht entscheidet also nicht über die Frage, ob eine Partei demokratisch oder antidemokratisch ist, sondern darüber, ob eine Partei verfassungswidrig ist oder nicht. Zwar ist die Schlussfolgerung möglich, dass eine vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig eingestufte Partei antidemokratisch ist, der Umkehrschluss, dass alle Parteien über die kein Urteil vorliegt, oder die nicht als verfassungswidrig eingestuft wurden, demokratisch sind, ist jedoch nicht möglich.
Die von der Demokratie gewährten Freiheitsrechte stehen damit also ausdrücklich auch ihren Gegnerinnen und Gegnern zur Verfügung. Leitgedanke dabei ist, dass sich die Demokratie im freien Spiel der politischen Meinungen aufgrund der von ihr gewährten Freiheitsrechte gegenüber denjenigen durchsetzen wird, die sie beseitigen wollen. Erst bei bestimmten Grenzüberschreitungen kann auf juristischem Wege im Nachgang mit dem Instrumentarium der „wehrhaften Demokratie“ die Ausübung von Freiheitsrechten beschnitten werden.
Auch das vor dem Bundesverfassungsgericht im März 2003 gescheiterte Verbotsverfahren gegen die NPD kann nicht als Nachweis herhalten, dass die NPD eine demokratische Partei ist. Über die Frage der Verfassungswidrigkeit der NPD hat das Bundesverfassungsgericht nämlich gar nicht entschieden. Aufgrund des Einsatzes von V-Leuten der Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern in der NPD lagen aus Sicht einer ausreichend großen Minderheit von Verfassungsrichtern so erhebliche Verfahrenshindernisse vor, dass das Verbotsverfahren eingestellt wurde.
Die Demokratie-Verachtung der NPD ist vielfach dokumentiert. Exemplarisch belegen dies folgende zwei Zitate von der Homepage des NPD-Bundesverbandes, die bis Ende 2010 im „Politischen Lexikon“ der Homepage abrufbar waren6: „Erst die Beimengung eines aristokratischen Elementes macht die Demokratie lebensfähig. Fehlt dieses Element, so läuft sie stets Gefahr, an der Unkultur der Massen zugrunde zu gehen.“ „Im Ernstfall kommt es nicht so sehr darauf an, ob Demokratien hinreichend demokratisch sind, sondern ob sie auf fähige, kompetente und mitreißende Minoritäten zurückgreifen können.“7
3. Anregungen zum Umgang mit der NPD in Kommunalparlamenten
Die Ausführungen des vorangegangenen Abschnitts haben gezeigt, dass juristische Mittel lediglich in einem sehr eng begrenz ten Rahmen in der Auseinandersetzung mit extrem rechten Phänomenen greifen. Bei der NPD ist dies ungleich schwerer, da ihr der besondere grundgesetzliche Parteien-Status zugutekommt.
Generell sind Neonazismus im Allgemeinen und die NPD im Besonderen politische Probleme, die das Recht nicht zu lösen vermag. Insofern muss die Debatte in allererster Linie politisch erfolgen.
Dies stellt die Abgeordneten der demokratischen Parteien allerdings vor große Herausforderungen. Im bisherigen parlamentarischen Umgang mit der NPD wurden viele Instrumente getestet. Diese reichen von gänzlicher Ignoranz bis hin zu weitreichenden Änderungen der Geschäftsordnung.8 Dabei zeigt sich, dass oft aus Unsicherheit sehr massive Eingriffe in den parlamentarischen Ablauf vorgenommen werden, die letztlich kontraproduktiv sind. Das notwendige Agieren gegen die NPD rechtfertigt beispielsweise nicht, den demokratischen Freiheitsraum insgesamt einzuschränken. Nicht weniger Demokratie wird letztlich das Erfolgsrezept in der Auseinandersetzung mit Antidemo kraten sein, sondern ein Mehr an Demokratie. Weiterhin ist es wichtig, die NPD formal korrekt zu behandeln, ihr jedoch inhaltlich deutlich entgegenzutreten. Das willkürliche Vorenthalten von parlamentarischen Rechten führt lediglich dazu, dass die NPD dagegen juristisch vorgeht und im Normalfall Recht erhält. Zugleich wird damit die Selbstinszenierung der NPD als vermeintlich unterdrückte „nationale Opposition“ befördert. Dieser gilt es vorzubeugen.
Es gibt keine Patentrezepte, die in den einzelnen Kommunen übernommen werden können. Zu unterschiedlich stellt sich die Herausforderung NPD in den Regionen dar: von völliger Inaktivität über vordergründig „sachpolitisches“ Agieren bis hin zu klar erkennbar ideologisch untersetztem Handeln. Insofern können hier nur allgemeine Anregungen erfolgen, die mit Hilfe von Expertinnen und
Experten auf die konkrete Situation vor Ort angepasst werden müssen. Partnerin kann hier u. a. die Mobile Beratung in Thüringen für Demokratie – gegen Rechtsextremismus sein.
Ziel in der Auseinandersetzung mit der NPD sollte sein, dass auch Außenstehende nachvollziehen können, warum die NPD keine normale Partei neben anderen ist. Entgegen ihrer eigenen Darstellung wird sie nicht willkürlich ausgegrenzt. Vielmehr grenzt sie sich selbst aus, indem sie eine der fundamentalen Grundlagen unserer Demokratie – die Gleichwertigkeit der Menschen – nicht anerkennt.
3.1 Rahmenbedingungen
Am Anfang der Auseinandersetzung mit der NPD sollte immer die Analyse stehen, wie die Partei konkret agiert. Wichtig ist dabei, nicht nur auf die unmittelbaren parlamentarischen Aktivitäten der NPD zu blicken, sondern auch auf die gesellschaftlichen Aktivitäten ihre Abgeordneten. Ist die NPD etwa im Parlament selbst inaktiv, entfällt zwar die Auseinandersetzung in Stadt- und Gemeinderatssitzungen, es können sich jedoch andere Problemstellungen ergeben.
Die Erfahrungen zeigen, dass die NPD überall dort über längere Zeit hohe Wahlerfolge erzielen kann, wo sie über Kandidaten und Kandidatinnen verfügt, die verschiedene Zielgruppen ansprechen und in der Bürgerschaft verankert sind. Der Klempnermeister Michael Jacobi aus Reinhardtsdorf-Schöna, Dr. Johannes Müller aus Sebnitz (beide Sachsen) oder der Fußballtrainer Lutz Battke aus Laucha (Sachsen-Anhalt) verdeutlichen dies. Der Erfolg der NPD hängt maßgeblich vom Agieren ihrer Abgeordneten im gesellschaftlichen Raum ab.
So kann die eigentliche politische Herausforderung darin bestehen, dass ein NPD-Kader zwar nicht parlamentarisch arbeitet, aber beispielsweise im Sportverein, als Elternsprecher oder als Aktiver in der Freiwilligen Feuerwehr eine Rolle einnimmt, in der er von vielen als Vorbild wahrgenommen wird. Hier gilt es insbesondere über Diskussionen mit den betreffenden Institutionen ein Problembewusstsein zu schaffen und den Einfluss der NPD so Stück für Stück zurückzudrängen.
Gleichzeitig sind NPD-Kader vielerorts Kristallisationspunkt der regionalen Neonazi-Strukturen, sie sind in die Organisation extrem rechter Aktivitäten wie Schulungsveranstaltungen, Demonstrationen, Konzerte etc. involviert und darüber hinaus nicht selten einschlägig vorbestraft.9
Für das parlamentarische Vorgehen ist eine genaue Analyse des Handelns der NPD-Abgeordneten unerlässlich. Zentral sind etwa Anzahl und Aktivität des/der Abgeordneten und die Art ihres gemeinsamen Auftretens (Geschlossenheit, erkennbare Konflikte usw.).
3.2 Individuelles Verhalten demokratischer Abgeordneter
Der persönliche Umgang mit NPD-Abgeordneten steht vor der politischen Debatte. Dabei kann bereits das Abwägen über den „richtigen“ Umgang zu Unsicherheiten führen. Ist es unhöflich, einem NPD-Abgeordneten die Begrüßung und den Händedruck zu verweigern? Klare Antwort: Ja, ist es. Gleichwohl gibt es dafür gute Gründe.
Abgeordnete sind nicht als Privatpersonen im Parlament, sondern in ihrer öffentlichen Funktion. Ein gleichberechtigter Umgang sendet somit immer auch ein politisches Signal an Außenstehende. Die Erfahrung zeigt, dass NPD-Abgeordnete gerade über den persönlichen Umgang darzustellen versuchen, dass sie Mitglied einer normalen Partei sind. So wollen sie fest etabliert und wählbar wirken.
Zudem darf nicht vergessen werden, dass es in fast jeder Kommune mit NPD-Abgeordneten eine mehr oder weniger große Zahl an Menschen gibt, die regelmäßig Opfer rechter Gewalt oder von Einschüchterungsversuchen werden. Wenn Kommunalvertreter(innen) scherzend oder schulterklopfend mit Abgeordneten der NPD gesehen würden, könnte die Wirkung auf die Betroffenen verheerend sein. Nicht zuletzt bleibt die Frage, wobei demokratische Abgeordnete NPD-Vertreter(innen) „Viel Erfolg“ oder einen „Guten Tag“ wünschen sollten? – Schließlich streben sie permanent nach der Ausbreitung einer menschenverachtenden Ideologie, die sich im schlimmsten Fall mittelbar oder unmittelbar in Gewalt niederschlägt.
3.3 Parlamentarische Möglichkeiten im Umgang mit der NPD
Auf kommunaler Ebene besteht der erste Reflex nach einem NPD-Parlamentseinzug oft in der Änderung der Geschäftsordnung. Meist zielt diese Reaktion darauf zu verhindern, dass die NPD Fraktionsstatus erreicht oder in den Ausschüssen vertreten ist. Eine dauerhafte Strategie stellt dies nicht dar. Zwar mag es unproblematisch erscheinen, die Mindestfraktionsstärke von zwei auf drei Abgeordnete anzuheben, die sächsischen Erfahrungen zeigen jedoch, dass es der NPD regelmäßig gelingt, diese Zahl zu knacken. In Sachsen hat mancherorts die fragwürdige Praxis Fuß gefasst, die Fraktionsstärke nach der Formel NPD-Abgeordnete + eins zu berechnen. Da die NPD allerdings in einigen Kreistagen mittlerweile mit fünf oder sechs Abgeordneten vertreten ist, hat das zur Konsequenz, dass in manchen Kreistagen eine Fraktion erst mit sechs oder sieben Abgeordneten gebildet werden kann, was bisweilen rund zehn Prozent der Gesamtzahl an Abgeordneten entspricht. Damit werden jedoch auch die Minderheitenrechte demokratischer Parteien beschnitten, wodurch das politische System insgesamt beschädigt wird.
Gleichwohl kann es sinnvoll sein, sich gründlich mit der bestehenden Geschäftsordnung auseinanderzusetzen. Häufig steht bereits ein gewisses Sanktionspotenzial – etwa das konsequente Einhalten der Redezeiten – zur Verfügung, welches bei Verletzungen der parlamentarischen Spielregeln durch die NPD angewendet werden kann. Insgesamt aber sollten Eingriffe in die Geschäftsordnung nur sehr behutsam vorgenommen werden. Wichtiger als die Arbeit an der Geschäftsordnung ist die Diskussion innerhalb der demokratischen Fraktionen über einen gemeinsamen Umgang mit der NPD. Nach Möglichkeit ist hier ein Konsens anzustreben. Jede vermeintliche oder tatsächliche Öffnung demokratischer Fraktionen gegenüber der NPD wird von ihr propagandistisch ausgeschlachtet. Die Wahl des sächsischen Ministerpräsidenten Georg Milbradts im November 2004, bei welcher der NPD-Kandidat in zwei Wahlgängen jeweils zwei Stimmen mehr verzeichnen konnte als die NPD zum damaligen Zeitpunkt Abgeordnete besaß, ist das prominenteste Beispiel.
Kernpunkte eines interfraktionellen Konsens könnten, ähnlich wird dies auch in Astrid-Rothe Beinlichs Beitrag skizziert, folgende sein:
- Konsequente Ablehnung aller Kandidaten und parlamentarischer Initiativen durch die NPD: Wie schon angedeutet, wird die NPD jede Stimme zusätzlich als Triumph für die „nationale Bewegung“ feiern. Dem gilt es vorzubeugen. Was bei ideologisch motivierten Anträgen, etwa der Forderung, das Amt des Integrations- oder Ausländerbeauftragen in „Ausländerrückführungsbeauftragten“ umzubenennen, leicht fällt, kann bei vermeintlichen Sachanträgen der NPD bereits schwerer werden. In der Vergangenheit konnte die NPD oftmals dann „Fremdstimmen“ ergattern, wenn sie z. B. für die Einführung des Amtes eines Seniorenbeauftragten eintrat, oder die Absenkung der Aufwandsentschädigungen der Abgeordneten forderte. Auch wenn die NPD bisweilen sachlich durchaus gerechtfertigte parlamentarische Initiativen startet, ist der demokratische Konsens gegen die NPD wichtig. Hier gilt es, sich immer wieder zu verdeutlichen, dass die NPD das Parlament strategisch nutzt, um letztlich die Demokratie beseitigen zu können. Der Weg über die vermeintliche Sachpolitik ist dabei ein Hebel, um sich als normale Partei zu inszenieren. Dies sollte allerdings konsequent immer wieder nach außen kommuniziert werden, um die notwendige Transparenz zu schaffen. Zudem besteht die Möglichkeit, sachlich richtige Anträge der NPD zu einem späteren Zeitpunkt durch demokratische Fraktionen in den parlamentarischen Geschäftsgang einzuspeisen. Auf diesem Wege können unnötige Triumphe der NPD vermieden werden.
- Die inhaltliche Auseinandersetzung mit der NPD suchen: Die konsequente Ablehnung jeglicher Initiativen der NPD birgt die Gefahr in sich, der NPD eine Steilvorlage für die Selbstinszenierung als vermeintlich unterdrückte „nationale Opposition“ zu liefern. Dieser Gefahr kann begegnet werden, indem gleichzeitig die inhaltliche Auseinandersetzung forciert wird. Auch hier ist jedoch darauf zu achten, die Anträge der NPD nicht formal aufzuwerten, indem sich die demokratischen Fraktionen im Versuch überbieten, wer am besten die NPD entlarven kann. Im Sächsischen Landtag hat sich die Praxis etabliert, dass auf parlamentarische Initiativen der NPD jeweils ein/e Vertreter/in der Regierungskoalition und ein/e Vertreter/in der demokratischen Oppositionsfraktionen reagiert. Damit ist sichergestellt, dass eine inhaltliche Auseinandersetzung stattfindet. Wichtig ist zudem, dass parlamentarische Initiativen der NPD nicht für gegenseitige Vorwürfe der demokratischen Fraktionen genutzt werden. Die NPD wird immer wieder versuchen mit ihren Anträgen einen Keil zwischen die demokratischen Fraktionen zu treiben.
- Die NPD nicht als Mehrheitsbeschafferin missbrauchen: Was auf den ersten Blick selbstverständlich erscheinen mag, kann sich gerade auf kommunaler Ebene, wo die Bindung an die eigene Fraktion durch einzelne Abgeordnete häufig weniger stark ausgeprägt ist, in Einzelfragen als schwierig erweisen. Dennoch sollte unter allen Umständen vermieden werden, die NPD bewusst oder unbewusst in eine Position zu bringen, in der sie als „Zünglein an der Waage“ fungieren kann. Auch dies nämlich wird von der NPD konsequent propagandistisch ausgenutzt und sendet an Außenstehende das Signal, dass die NPD eine normale Partei ist.
- Der monatliche Fraktionszuschuss ergibt sich aus dem Sockelbetrag in Höhe von 70.140,81 Euro, dem Kopfbetrag pro Abgeordneten in Höhe von 2.476,14 Euro sowie dem Oppositionszuschlag in Höhe von 26.009,87 Euro. [↩]
- Vgl. Jennerjahn, Miro (2009): Die NPD in Sachsen nach den Stadt- und Gemeinderatswahlen 2009. S. 16ff. Online unter: http://www.nazis-nein-danke.de/attachments/085_Die%20NPD%20in%20Sachsen%20nach%20Stadt-%20und%20Gemeinderatswahlen%202009_lang.pdf. Anmerkung 08.12.2014: Die genannte Webseite existiert nicht mehr. Der Text kann stattdessen auf dieser Webseite abgerufen werden. [↩]
- Das konkrete Verhalten von NPD-Abgeordneten ist ein Faktor, der von Kommune zu Kommune sehr genau analysiert werden muss und unterscheidet sich stark. Neben sehr aktiven Abgeordneten wird vielerorts insbesondere eine weitgehende Inaktivität der Abgeordneten beschrieben. Darin spiegelt sich nach wie vor das Problem der NPD insbesondere geeignetes Personal für eine Kandidatur zu finden, das den parlamentarischen Ablaufen gewachsen wäre. Vgl. dazu: Beier, Katharina; Bogitzky, Jenny; Buchstein, Hubertus; Feike, Katharina; Fischer, Benjamin; Freyber,
Pierre; Strüwing, Mathias; Wiedemann, Tim (2006): Die NPD in den kommunalen Parlamenten Mecklenburg-Vorpommerns. Greifswald., sowie Hafeneger, Benno/Schönfelder, Sven (2007): Politische Strategien gegen die extreme Rechte in Parlamenten. Folgen für kommunale Politik und lokale Demokratie. Berlin. [↩] - Laut Richard Stöss verfügen rund 42 % der Befragten, die ihre Bereitschaft zur Wahl einer extrem rechten Partei signalisieren, auch über ein entsprechendes Einstellungspotenzial. Das bedeutet im Umkehrschluss jedoch nicht, dass die übrigen 58 % frei von jeglicher Affinität zu extrem rechten Einstellungen wären. (Vgl. Stöss, Richard (2005): Rechtsextremismus im Wandel. Berlin, S. 98. Auch Arzheimer weist die These der reinen Protestwahl zurück, da die Wahl einer extrem rechten Partei in erheblichem Maße von ideologischen Faktoren gesteuert werde (Vgl. Arzheimer,
Kai (2008): Die Wähler der extremen Rechten 1980–2002. Wiesbaden, S. 108f, S. 287, S. 385). Dennoch wählt der größte Teil von Menschen mit einem extrem rechten Weltbild demokratische Parteien (Vgl. Decker, Oliver/Brähler, Elmar (2006): Vom Rand zur Mitte. Rechtsextreme Einstellungen und ihre Einflussfaktoren in Deutschland. Berlin, S. 51ff; sowie Vgl. Stöss, 2005, S. 96f.). [↩] - Vgl. Stöss, 2005, S. 16. [↩]
- Mit der Fusion von NPD und DVU fand eine grundsätzliche Überarbeitung der Homepage statt und die Zitate verschwanden. Die wörtliche Eingabe der Zitate in eine Suchmaschine führt jedoch immer noch direkt zum entsprechenden Lexikon-Eintrag auf der alten NPD-Homepage, (eingesehen am 21.03.2011). [↩]
- Für weitere Nachweise des antidemokratischen Gedankenguts der NPD: Vgl. Innenministerien der Länder Berlin, Bremen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein (2009): Verfassungsfeind NPD. Dokumente eines Kampfes gegen die Demokratie. Berlin. [↩]
- Für eine vergleichende Analyse des Agierens extrem rechter Parteien in Kommunalparlamenten in vier verschiedenen Bundesländern: Vgl. Hafeneger/Schönfelder, 2007. [↩]
- Für Sachsen wurde im Vorfeld der Kreistagswahlen 2008 eine Dokumentation einschlägig bekannter Kandidat(innen) und deren Hintergründe angefertigt. Dies kann auch in anderen Regionen ein sinnvoller Weg sein, um über die NPD aufzuklären. Vgl. NiP Sachsen & AKuBIZ e. V. Pirna (2008): Kritische Dokumentation Kreistagswahlen 2008. Dresden. Online unter: http://nip.systemli.org/broschuere-druck.pdf. [↩]